Eine Waldviertelautobahn quer durch das Sommerloch - von Bernhard Schneider

Kategorie: Haupteintrag
Veröffentlicht: Donnerstag, 28. Juni 2018 09:45
Geschrieben von Super User
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Eine Waldviertelautobahn quer durch das Sommerloch.
von Bernhard Schneider

Rechtsgrundlagen zur Beurteilung von Plänen zur Errichtung einer Autobahn und (in blauer Schrift:) was sie für die Waldviertelautobahn bedeuten.

Wer entscheidet, ob eine neue Hochleistungsstraße gebaut werden soll?

Diese Entscheidung wird formal vom Parlament getroffen, indem eine hochrangige Straßenverbindung[1] in eine Novelle zum Bundesstraßengesetz oder in eine Verordnung zu ihm aufgenommen wird. Die Vorlage zu einer solchen Bestimmung wird vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie davor in den Ministerrat eingebracht. Um dies im Einklang mit der Rechtlage tun zu können, ist jedes größere Verkehrswegeprojekt zuvor einer strategischen Prüfung zu unterziehen, in welchem die Sinnhaftigkeit des Projekts dargelegt wird. Österreich hat als Grundlage dafür das Bundesgesetz über Strategische Prüfung im Verkehrsbereich („SP-V-Gesetz“), das vorsieht, dass das Verkehrsmi9nisterium gemeinsam mit dem Umweltministerium Details in einer Verordnung festlegt. Nachdem Bemühungen zur Erarbeitung der im Gesetz vorgesehenen Verordnung über Anforderungen an Planungen im hochrangigen Verkehrsnetz ergebnislos eingestellt worden waren, hat das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie 2006 alleine eine Strategische Planungsrichtlinie Verkehr[2] veröffentlicht und danach hat die ASFINAG auf deren Basis gemeinsam mit dem Verkehrsministerium, den Landesstraßenbauabteilungen und Experten eine Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Maßnahmen der Verkehrsplanung (Nutzen–Kosten–Untersuchung) (RVS 02.01.22)[3] vorgenommen und zum aktuellen Stand der Technik erklärt; sie hat festgelegt, dass diese ab sofort im Bereich der Bundesstraßen anzuwenden sei.


Wie wird entschieden?

Die oben genannten Richtlinien legen sehr detailliert eine komplexe Methodik zur Abwägung von Vorteilen (z.B. Reisezeitersparnis, Unfall- und Unfallschwerevermeidung) und Nachteilen (z.B. Kosten, Emissionen) fest.

So hat das Bundesministerium für Verkehr z.B. in seiner SV-P-Richtlinie[4] eine erforderliche Mindestverkehrsnachfrage vorgegeben; diese Schwelle liegt bei 24.000 Fahrzeugen (durchschnittlicher täglicher Verkehr) auf der am schwächsten belasteten Stelle der projektierten Straße. Wenngleich das Ministerium später darauf verwiesen hat, dass diese Richtlinie nicht rechtsverbindlich sei, so kommt ihr doch im Zuge der strategischen Planungsbeurteilung großes Gewicht zu, und man würde in einer solchen Beurteilung wohl sehr gute Argumente benötigen, würde man einen niedrigeren Schwellenwert verwenden, zumal da die technologische Entwicklung ja eindeutig in die Richtung geht, höhere Schwellenwerte zu ermöglichen. Smart-City-Konzepte, Verkehrstelematik und Onlinedienste in Fahrzeugen tragen zur besseren zeitlichen Verteilung des Verkehrs über den ganzen Tag (Stauvermeidung) bei und immer bessere Abstandserkennungs- und (Not-)Bremssysteme gestatten kürzere Fahrzeugabstände; autonom gelenkte LKW-Verbünde können mit minimalen Abständen fahren.

Von den drei geforderten Haupteigenschaften einer hochrangigen Straße erfüllt das Konzept der Autobahn durch das Waldviertel gerade noch die erste: sie besagt, dass eine hochrangige Straßenverbindung Landeshauptstädte oder gleichwertige Zentren in Nachbarländern verbinden muss. Der Westast stellt die (in der Praxis extrem schwach nachgefragte) Verbindung Linz-Iglau dar, der Ostteil die Verbindung Budweis-Wien.

Die zweite geforderte Eigenschaft ist der Netzschluss im (bei Inbetriebnahme) bestehenden hochrangigen Verkehrsnetz: Da zwischen Ost- und Westteil ein Knick liegt, wird nur ein minimaler Prozentsatz der die Straße benützenden Fahrzeuge (eigentlich nur die, die aus Freistadt nach Hollabrunn und umgekehrt fahren) die gesamte Autobahn benutzen. Als C-förmige Spange stellt die Straße keinen Netzschluss dar, da auf tschechischer Seite keine anschließenden Ausbaupläne oder Prognosen starken Verkehrszuwachses bestehen.

Die dritte geforderte Eigenschaft ist die Überschreitung der oben erwähnten Mindestnachfrage. Der derzeitige Schwellenwert wird derzeit am geplanten Endpunkt der Autobahn – der Einmündung in die S3 im Raum Hollabrunn – mit ca. 21.000 Fahrzeugen täglich knapp nicht erreicht; unterstellt man weiteres Straßenverkehrswachstum, ist dort eine Erreichung evtl. möglich. Auf dem gesamten Rest der Strecke wird der Schwellenwert schon jetzt (teils deutlich und teils ganz erheblich) unterschritten. Die verkehrsschwächsten Bereiche – und nur diese sind für die Beurteilung heranzuziehen - werden kaum die Marke von 10.000 Fahrzeuge pro Tag erreichen – eine Verkehrsbelastung, die üblicherweise nicht einmal eine abwechselnde dritte Spur erfordert. Die Prognose des Verkehrsaufkommens ab 2045 hat zudem zu berücksichtigen, dass laut ÖROK-Bevölkerungsprognose die Einwohnerzahl im gesamten durchquerten Gebiet und in dessen regionalem Einzugsgebiet abnehmen wird.

Da diese Bedarfsprognose also den Schwellenwert auf über 95% des Trassenverlaufs klar unterschreiten wird, werden Interessenten, die die Autobahn errichtet sehen wollen, wohl Prognosen anstellen, denen zu Folge der Kfz-Verkehr auf dieser Strecke stark steigen wird. Eine Prognose, die mit der Erreichung der Mindestnachfrage 2045 auch nur auf der Hälfte der Strecke ausgeht, muss folgende Annahmen treffen:

 

Kritik der Richtlinien

Aus Fachkreisen ist wiederholt Kritik an der Richtliniengestaltung geübt worden, die bei näherer Betrachtung ihres Texts gut verständlich ist. Als Beispiel kann genannt werden: Die verkehrsgenerierende Wirkung neuer Straßen und die Auswirkungen der Preispolitik der Straßenbenützung finden nicht ausreichend Eingang. Während die Methodik in anderen Bereichen sehr genau ist, erlauben die angeführten Umweltkriterien eine Unterbewertung negativer Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt. Beim Vergleich zwischen Autobahn und Landstraße hinsichtlich der Unfallhäufigkeit wird nicht beachtet, dass Unfälle auf Autobahnen im Schnitt viel schlimmere Verletzungen und mehr Todesfälle hervorrufen und mehr Fahrzeuge in sie verwickelt sind.

Der Rechnungshof kritisiert[5], dass das Ministerium die Ausbaupläne der Infrastrukturgesellschaften (ÖBB-Infra, ASFINAG, Landesstraßenbaudirektionen, etc.) nur bündelt, ohne im Bundesverkehrswegekonzept Planungsziele und -vorgaben festzulegen. In seinem Bericht vergleicht er die Istsituation mit jener in Deutschland, wo das Ministerium regelmäßig den Verkehrswegeplan aufgrund vorgelegter Projektvorschläge überarbeitet, bei der Bewertung verkehrsträgerübergreifende Betrachtungen anstellt und auch zur Aufteilung der Finanzierung über Einzelfallvereinbarungen hinausgehende Vorgaben macht. Erst aufgrund der verkehrsträgerübergreifenden Gesamtbetrachtung aller Ausbauvorschläge erfolgt in Deutschland die Mittelzuteilung.

Der Rechnungshof kritisiert generell in seinem Bericht zur Verkehrswegeplanung, dass in der Vergangenheit die strategische Prüfung Verkehr nicht verkehrsträgerübergreifend stattgefunden hat und daher die Wechselwirkungen zwischen Verkehrsträgern nicht bzw. falsch berücksichtigt wurden. Demnach wäre die Zugrundlegung eines Szenarios stark rückläufigen öffentlichen Schienenverkehrs zu unterlassen, wenn es nicht gültige Planungsinstrumente und Festlegungen gibt, die diese Variante unterstützen bzw. es im Bahnbereich keine entsprechende Planung gibt. Demnach wäre es unzulässig, wenn eine öffentliche Stelle für die gleiche Mobilitätsachse und denselben Zeitraum ihrer Straßen- und Bahnplanung verschiedene Annahmen zum Modalsplit zu Grunde legen würde.

Bezogen auf eine Autobahn durch das Waldviertel heißt dies: Bei der strategischen Bewertung des Projekts ist der Stand der Technik anzuwenden, der es in vielen Details ermöglicht bzw. sogar verlangt, Kriterien präziser und umfassender zu verlangen, als die zum Zeitpunkt der Richtlinienerstellung möglich war.

Die niederösterreichische Landesregierung ist gefordert zu erklären, wie sie einerseits beim Thema Ausbau der Franz-Josefs-Bahn bis 2045 stark sinkende Reisezeiten und stark steigende Fahrgastzahlen zu Grunde legt und anderseits einen Autobahnausbau bis 2045 mit einem unverändert starken bzw. gar noch wachsenden PKW-Anteil rechnen würde.

 

Der Güterverkehr als Frequenzbringer und Geldgeber

Während in der EU28 2016 18% der Güter per Bahn befördert wurden, waren es in Österreich (2017) etwas über 30%[6]. Der Gesamtverkehrsplan für Österreich[7] legt fest, dass bis 2025 40% der Güter in Österreich auf der Schiene zu befördern sind. Mittlerweile wurden zwar Zuwächse erzielt, diese waren aber gering, sodass das Ziel wohl kaum eingehalten werden wird.

Die Europäische Kommission legt im „Weißbuch — Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“[8] fest, dass bis 2025 in Österreich 30% und bis 2050 50% der über >300km auf der Straße beförderten Güter auf die Schiene zu verlegen sind.

Da ein Großteil des Güterverkehrs Transitcharakter hat und dieser nur sehr schwierig auf die Schiene verlagert werden kann, ist der Hebel vor allem beim Transport bahnaffiner Güter, deren Quelle in Österreich ist, anzusetzen. Gelingt es in Österreich nicht, im Zielzeitraum 2050 70% des Quell-Güterverkehrs auf der Schiene zu befördern und damit die Anzahl der LKW-Fahrten auf weniger als ein Drittel zu reduzieren, ist diese Zielvorgabe unerreichbar.

70% Bahnanteil in der Region sind bis 2050 wohl nur erreichbar, wenn praktisch alle bahnaffinen Quellgüter der Region nördlich der Donau ausschließlich auf der Schiene transportiert werden (Anbringung zur Bahnverladung wird natürlich vielerorts weiter per LKW notwendig sein). Solche bahnaffinen Güter sind vor allem Rundholz, aber auch Lang- und Schnittholz und Holzprodukte, vorgefertigte Gebäudekomponenten, Energiebiomasse, Kartoffel, Kartoffelschlempe, Getreide, Betonwaren, Steine, Hausmüll, Altpapier, Maschinen, Schrott und in gewissem Maße auch andere Industrieprodukte. Dazu kommen aus dem unmittelbaren Grenzgebiet von tschechischer Seite Blechpressteile und Bausand.

Das derzeitige Autobahnfinanzierungsmodell erschwert jedoch die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. 2015 hat in Österreich die PKW-Maut 2,76 Milliarden € erbracht, die LKW-Maut jedoch 5.795 Milliarden. Den Gesamteinnahmen aus Maut (ohne Brenner-Spezialmaut) von 8,555 Milliarden € standen Neubaukosten von 1.976 bzw. Erhaltungskosten von 1,824 Milliarden € gegenüber – in Summe 3,8 Milliarden – und nur 2% dieses Betrags waren Mittel von Ländern, Gemeinden und EU. Der Großteil des verbleibenden Überschusses wurde für Finanzierungskosten aufgewendet. Autobahnbaukredite und Leasinglösungen sind in der Regel langfristig und für den Bankensektor entsprechend lukrativ. Da also der Autobahn- und Schnellstraßenbau in Österreich vollständig aus der zweckgebundenen LKW-Autobahnmaut finanziert werden kann, ist die für Bau, Instandhaltung und Betrieb des hochrangigen Straßennetzes zuständige ASFINAG aus ihrer eigenen Unternehmenslogik heraus gefordert, so viel LKW-Transit wie möglich anzuziehen, um die anstehenden, ständig größere Mittel erfordernden Instandhaltungen sicherstellen zu können. Dazu benötigt sie neue Strecken, deren Kosten erst viel später schlagend werden. Da die Alpenkonvention Österreich vorschreibt, keine zusätzlichen hochrangigen Alpenquerungsstraßen mehr zu errichten, wird nun versucht, diesen Zuwachs in den nichtalpinen Regionen Österreichs zu erzielen. Neben den bereits in Planung befindlichen Strecken S8 (Lobauspange Wien), S34 (St. Pölten), S3 (Guntersdorf-Kleinhaugsdorf) und S10 (Freistadt-Wullowitz) kommt da nur noch eine Autobahn durch Mühl-, Wald- und Weinviertel in Frage. Ein solches Projekt könnte aber nur unter Missachtung anderer, jedoch weniger stark mit Sanktionen belegter Vorgaben umgesetzt werden. Es stünde in krassem Gegensatz zu den Zielen der AGENDA der Österreichischen Bundesregierung[9] und der Österreichischen Klimaschutzstrategie.

Um die Errichtungskosten zurückzuverdienen, würde das eventuell akquirierbare LKW-Transitvolumen eventuell gerade noch reichen, aber dann müsste bei konstanten Mautpreisen eine LKW-Frequenz von ca. 6.000 LKW pro Tag erreicht werden (dzt.  <1000). Dabei muss die ASFINAG achten, diese nicht von der Westautobahn bzw. der A7 (Passau-Linz) abzuziehen, da diese dann dort fehlen würden, sondern von der tschechischen West-Ost-Magistrale D1 zu akquirieren, es würde sich demnach um Langstreckentransporte zwischen Südost- und Nordwesteuropa handeln. Dabei tritt eine Autobahn durch das Waldviertel aber zur bereits geplanten Weinviertelschnellstraße S3 in Konkurrenz, die ebenfalls weitgehend diese Verkehrsachse bedienen soll.

Die zur Erreichung der Kostenvorgaben nötigen 5000 zusätzlichen LKW pro Tag füllen zu den meisten Tageszeiten die rechte Fahrspur, sodass ein Ausbau der B41 und B2/B4 von dzt. ca. 1,2 Spuren auf Autobahnbreite (2,2 Spuren) durch den LKW-Mehrverkehr sofort wieder aufgefüllt wäre.

Österreich besitzt das drittdichteste Autobahnnetz Europas (sehr weit vor dem Autobahnland Deutschland!)[10]. 2018 bestehen 1743 km Autobahn und 489 km Schnellstraße. Da das Autobahnprojekt somit immerhin über 9% der Streckenlänge des bestehenden Autobahnen Österreichs ausmacht, muss es die ASFING schaffen, durch die neue Autobahn ca. 7% mehr LKW-Verkehr nach Österreich zu ziehen (die Betriebskosten einer Autobahn sind im Wald-, Wein- und Mühlviertel zwar etwas über dem Durschnitt, die Baukosten aber wegen der niedrigen Grundeinlösungskosten und den eher wenigen Auffahrten und Tunnels niedriger). Steigt der LKW-Transit überhaupt nicht, müsste sie die LKW-Maut um 7% erhöhen, was den gesamten Wirtschaftsstandort Österreich ernsthaft gefährden würde. Die Annahme, das LKW-Transitfahrverbot auf der B2 würde nach Autobahnbau auch für diese neue Strecke gelten, ist sohin unrealistisch.

 

Über die Grenze

In der Vergangenheit hat das Land Niederösterreich seine Verkehrswege oft ohne Konsens und z.T. im offenen Dissens mit der Verkehrswegeplanung der Tschechischen Republik betrieben. Dies führte und führt immer wieder zu Verteuerungen, Verzögerungen und problematischen Lösungen.

So wurde und wird die Nordautobahn A5 nach Drasenhofen im vollen Wissen darum gebaut, dass sie für die tschechische Seite problematisch ist.  Tschechien hat seinerseits eine durchgehende Autobahnverbindung von Brünn zur Grenzstadt Břeclav geschaffen (und kürzlich modernisiert), wo auf österreichischer Seite jedoch nur kein Ausbau erfolgte bzw. vorgesehen ist. Die in Mikulov an die A5 anschließende Schnellstraße 52 muss die geschützte Landschaft des Thayatals queren. Niederösterreich hat hier einfach durch den Bau auf seinem Gebiet Fakten geschaffen. Man beachte, dass für den Naturschutz ja weniger bedeutsam ist, ob eine Straße breiter ausgebaut wird oder nicht als vielmehr, wie stark sie befahren wird. Das naturschutzrechtliche Verfahren kommt jedoch nur zu Beginn physischer Planungen in Gang und nicht vor einer Erhöhung der Verkehrsbelastung. 2017 beschloss das Tschechische Verkehrsministerium die Freigabe von Mitteln zur Umfahrung von Mikulov, und so wird mittelfristig eine durchgehende Verbindung mit 110 km/h Ausbaugeschwindigkeit von Mikulov nach Brünn entstehen.

Für die S3 nach Kleinhaugsdorf liegt ebenfalls von tschechischer Seite trotz niederösterreichischer Bemühungen keine Einigung mit der tschechischen Seite über einen gesamthaften Ausbau der Straßenverkehrsachse (nicht einmal ein unverbindliches Memorandum) vor; bloß der Grenzübertrittspunkt liegt fest. Angesichts der (auch nach österreichischen Richtlinien) deutlich unterschrittenen Mindestnachfrageschwelle erkennt die tschechische Seite den Ausbau der Anschlussstrecke durch einzelne örtliche Umfahrungen und Überholstreifen als ausreichend.

Die Verlängerung der S10 in Oberösterreich von Wullowitz nach Třebonín bei Budweis erfolgt im Rahmen der Transeuropäischen Netze und ist daher leichter abzustimmen.

Auch bei der Autobahn durch das Waldviertel versucht Niederösterreich, Südböhmen „vor sich herzutreiben“. Das langfristige tschechische Ausbaukonzept des hochrangigen Straßennetzes enthält keine Pläne dafür, die Achse Neunagelberg-Lišov auf eine höhere Stufe als die einer Straße 1. Klasse (110 km/h Ausbaugeschwindigkeit, nicht zwingend mehrspurig) zu bringen. Während im Landtag beschlossen wird, eine „Europaspange“ genannte Autobahn zu forcieren, wurde die Planung mit dem einzigen anderen europäische Land, zu dem eine Verbindung angedacht sein könnte, offenbar nicht abgestimmt, geschweige denn, dass eine gemeinsame Absichtserklärung vorläge.

Obige Grafik der Tschechischen Autobahn- und Straßendirektion RSD stellt die mittel- und langfristige Planung des Ausbaus des hochrangigen Straßennetzes dar. Sie weist entlang des gesamten Mittelteils der Südgrenze zu Niederösterreich nur (dünn hellgrau gezeichnete) Straßen 1. Klasse (2-3-spurig, Ausbaugeschwindigkeit max. 110 km/h) auf.

Jeder neue hochrangige Grenzübergang würde die tschechische Seite zudem vor große Probleme stellen - auch Neunagelberg ist problematisch: Wo immer die „Europaspange“ die Grenze im Raum zwischen Weitra/Nové Hrady und Litschau/Nová Bystřice queren soll, ist zu bedenken, dass sich über diesen gesamten Raum auf tschechischer Seite das UNESCO-„Mensch und Biosphäre“-Reservat Třebonsko erstreckt, das auch als geschütztes Landschaftsgebiet mit einer Vielzahl von hochgradig geschützten Reservaten und Natura 2000- bzw. FFH[11]-Schutzgebieten ausgewiesen ist, sodass eine Autobahnquerung in diesem Bereich undenkbar und überhaupt eine erhöhte Verkehrsbelastung kaum tragbar ist. In der tschechischen Verkehrswegeplanung existiert zwar der Plan einer teils neutrassierten Straßenverbindung von der D3 Tabor über Třeboň (und weiter als Teil der E49) nach Österreich, doch ist diese Planung mit Österreich nicht akkordiert. Während die österreichische Planung eine Autobahn vorsieht, genügt der tschechischen Seite eine „Straße 1. Klasse“ (entspricht den „Bundesstraßen“ in Österreich). Es gibt aber auch Anzeichen von Abstimmung: die lange Zeit gehegten Pläne einer Schnellstraße von Krems über Zwettl und Jagenbach nach Dietmanns mit Grenzübertritt in Wielands wurden offenbar sowohl auf tschechischer als auch auf österreichischer Seite fallengelassen.

Der Rechnungshof empfiehlt auf Basis der diesbezüglich eindeutigen Festlegungen der SP-V-Richtlinie, Grenzübergänge im hochrangigen Straßennetz nur dann als Korridor zu planen, wenn auf ihren die Mindestnachfrage erwartbar ist und zwischenstaatliche vertragliche Grundlagen bestehen und erst dann den Grenzübertrittspunkt festzulegen, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfung abgeschlossen ist[12].

Ohne eine Herstellung einer Verbindung zu den Nachbarstaaten ist nach dem SP-V-Gesetz in Österreich keine neue Hochleistungsstraße zulässig. Trotz der Bezeichnung „Europaspange“ wäre die einzige durch eine Waldviertelautobahn geschaffene durchgehende Hochleistungsstraßenverbindung jene von Freistadt nach Hollabrunn (falls die S3 je gebaut wird; bzw. ansonsten nach Stockerau), die keine Grenze tangiert und keine Verkehrsnachfrage befriedigt. Um dem SP-V-Gesetz zu genügen, müsste die zumindest eine Schnellstraße über die Grenze geführt werden, was jedoch mit der tschechischen Seite im Detail erst zu vereinbaren wäre und was im Widerspruch mit der Empfehlung des Rechnungshofs steht, keine Hochleistungsstraßen dort über die Grenze zu führen, wo die Mindestnachfrage lt. SP-V-Richtlinie nicht gegeben ist.

Während also auf österreichischer Seite 24.000 Fahrzeuge pro Tag das Minimum für eine Autobahn sind, würden sie jenseits der Grenze zum Verkehrskollaps in den Orten Suchdol und Majdalena führen und wären mit dem bestehenden Schutz der Teich- und Flusslandschaft Třebonsko wohl nicht vereinbar.


Resümee

Nimmt man an, dass die öffentliche Hand die Gesetzeslage im Wesentlichen beibehält, die bislang eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen einhält, den Empfehlungen des Rechnungshofs Folge leistet und sich an die selbst geschaffenen Richtlinien hält, kann eine Autobahn, deren Lagekorridor der von der NÖ Landesregierung vorstellten „Europaspange“ entspricht, aus folgenden Gründen nicht umgesetzt werden.

Abgesehen davon ist demokratiepolitisch zu hinterfragen, ob es einer integren Informationspolitik öffentlicher Stellen entspricht, Projekte, die vorrangig zum Zweck der Anziehung von LKW-Transitverkehrsvolumen dienen, der Bevölkerung unter Ausblendung entscheidender Fakten als Vorteil zu präsentieren.

 

[1] d.h. eine Autobahn oder Schnellstraße

[2] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (Hg.) (2006), Leitfaden zur Erstellung des Umweltberichtes im Rahmen der strategischen Prüfung – Verkehr für Netzveränderungen im hochrangigen Bundesverkehrswegenetz (SP-V-Leitfaden), V 2.1., Wien

[3]  Österreichische Forschungsgesellschaft Straße – Schiene – Verkehr gemeinsam mit der ASFINAG, den Landesbaudirektionen und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (2010): Gesamtwirtschaftliche Bewertung von Maßnahmen der Verkehrsplanung (Nutzen–Kosten–Untersuchung) (RVS 02.01.22)

[4] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (Hg.) (2006), Leitfaden zur Erstellung des Umweltberichtes im Rahmen der strategischen Prüfung – Verkehr für Netzveränderungen im hochrangigen Bundesverkehrswegenetz (SP-V-Leitfaden), V 2.1., Wien

[5] Rechnungshof Österreich (2018), Bericht des Rechnungshofes Verkehrsinfrastruktur des Bundes –  Strategien, Planung, Finanzierung; GZ 004.417/007–1B1/18 III–157 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP, Wien

[6] http://www.schienencontrol.gv.at/de/volkwirtschaftlicheentwicklung.html

[7] Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (2012), Gesamtverkehrsplan für Österreich, Wien.

[8] Europäische Kommission: (2011): „Weißbuch — Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum — Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“

[9] Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ in Österreich (2018), Ziel Nr. 9.1 „Eine hochwertige, verlässliche, nachhaltige und widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen", Wien.

[10] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/206637/umfrage/netzlaenge-der-autobahnen-in-oesterreich/

[11] Flora-Fauna-Habitat

[12] Dieser Vorschlag ist mit dem Mangel behaftet, dass zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung die Trasse bekannt, d.h. auch der Grenzübertrittspunkt bereits festgelegt sein muss (d.Verf.)